Elektrische SchülerInnen

In der Grundschule gehört Mathematik von Anfang an zu den Hauptfächern. Implizit wird also von allen Schülern und Schülerinnen erwartet, dass sie in einem gewissen Umfang mathematisches Arbeiten erlernen können, wobei solch ein vielschichtiger Prozess natürlich unterschiedlichste Fähigkeiten umfasst. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Welche Lernziele sind Voraussetzung für erfolgreiches Mathematikmachen?

Betrachten wir den Computer als ein Wesen mit sehr gutem Gedächtnis, absolutem Regelgehorsam aber ohne Weltwissen und Kreativität, so kann man ihn als ein sehr grobes Mensch-Modell durchgehen lassen, zumindest in dem Sinne, dass sich Menschen annähernd wie Computer verhalten können: Indem wir uns Notizen machen, lässt sich ein sehr gutes Gedächtnis simulieren. Das strenge Regeleinhalten ist zwar nicht leicht, aber die Vielzahl an (geregelten) Spielen zeigt, dass es prinzipiell möglich ist. Schließlich können wir uns auch dumm und stur stellen und unser Weltwissen gezielt unterdrücken.

Wenn wir also schaffen, einem Computer gewisse Aspekte des mathematischen Arbeitens beizubringen, so können die Komponenten des resultierenden Programms auch als Quelle von prinzipiell erreichbaren Lernzielen für Menschen genutzt werden.

Mit dieser Idee im Hinterkopf haben wir begonnen, die Ergebnisse des $\mmath$ Projekts auch im Schulumfeld zu nutzen. Der Fokus liegt dabei auf der Überprüfung und (wenn nötig) Modifikation von Arbeitsweisen unabhängig von den Inhalten. Read more…

Ausprobieren

Ein Rabe setzt sich auf die Verkehrsampel über einem Fußgängerüberweg, lässt eine Nuss fallen und wartet dass sie von einem Fahrzeug überrollt wird. Bei der nächsten Grünphase der Fußgängerampel hüpft er hin, um den Inhalt aufzupicken.

Die Entwicklung einer solchen Lösungstechnik, ist ohne die Fähigkeit Regelmäßigkeiten zu erkennen, schwer vorstellbar. Wahrscheinlich wurde der Gedanke hierzu durch eine zufällige Beobachtung ausgelöst. Zur Vollendung gelangt die Methode allerdings erst, wenn sie durch wiederholtes Ausprobieren und Beobachten schrittweise verfeinert wird.

Grundsätzlich greifen die selben Mechanismen auch dann, wenn man eine harte Nuss in der Mathematik knacken möchte. Beobachtungen beim Arbeiten mit konkreten Beispielen erlauben das schrittweise Kennenlernen eines Sachverhalts und öffnen möglicherweise die Tür zu einer allgemeinen Aussage, die auch für wesentlich mehr Beispiele gilt.

Der große Vorteil des entdeckungsfreudigen Raben besteht aber darin, dass die für das Knacken und Aufsammeln benötigten physikalischen Gesetze und gesellschaftlichen Regeln (Straßenverkehrsordnung) ohne sein Zutun zur Anwendung kommen. Der Rabe kann also bei jedem neuen Lösungsversuch entspannt beobachten, was passiert. Im mathematischen Universum ist das anders! Hier beantwortet sich die Frage, ob eine Lösungsidee funktioniert nur dadurch, dass ein formaler Beweis erfolgreich abläuft, für deren Durchführung man aber selbst verantwortlich ist. Entspannt zurücksetzen und beobachten gibt es also nicht - damit ist die Kenntnis der Beweisregeln eine Grundvoraussetzung für den Erfolg und gutes Training in diesem Bereich kann die Geschwindigkeit des Lösungsprozesses deutlich erhöhen.

Werkzeug Mathematik

Was unterscheidet den Mensch von anderen Tieren auf unserem Planeten? Der Mensch umgibt sich mit Baumärkten, Drogerien, Möbelhäusern und Kurzwarenabteilungen! Etwas abstrakter formuliert: Menschen erfinden und benutzen Werkzeuge und die Warenhäuser sind voll davon, angefangen bei Nähnadeln über Schränke und Zahnpasta bis hin zum Rasenmäher. Werkzeuge erlauben uns im Kleinen einzelne Zellen zu manipulieren oder im Großen das Sonnensystems zu erforschen.

Dabei kann man Werkzeuge als Materialisierung von Regeln verstehen. So setzen Stemmeisen oder Türgriffe zum Beispiel die Regeln der Hebelwirkung um und zeigen indirekt, wie wir Menschen ticken: Durch Beobachtung stellen wir Regelmäßigkeiten zunächst in Form von wenn-dann-Beziehungen fest, wir isolieren und reproduzieren die Effekte durch Experimente und konservieren sie schließlich als Geräte oder Werkzeuge, die in speziellen Situationen die gefundenen Regelmäßigkeiten zur Wirkung kommen lassen.

Die Grundlage all diesen Handelns ist die Fähigkeit, mit Regeln umgehen zu können, d.h. sie zu erkennen, anzuwenden und zielgerichtet zu kombinieren, also das, was man mit den Begriffen Rationalität oder Verstand zusammenfasst.

In diesem Zusammenhang kann man die Mathematik als eine besonders herausdestillierte Form der menschlichen Rationalität betrachten, weil sich mit ihr Regelmäßigkeiten präzise formulieren und zu neuen Regeln kombinieren lassen. Mathematik als Wissenschaft des Geregelten ist somit eine abstrakte Variante des Werkzeugbaus und der Werkzeugnutzung und wird damit selbst zu einem wichtigen und machtvollen Werkzeug des Menschen.

Wenn es das Ziel von Bildung ist, die im Menschen angelegten Fähigkeiten zur Bewegung, Kommunikation, Empathie, Emotion und Rationalität herauszuarbeiten und zu trainieren, dann stellt sich nicht die Frage, ob Mathematik hier eine wichtige Rolle spielt. Ob aber unsere aktuelle Ausgestaltung der Mathematikausbildung tatsächlich darauf ausgerichtet ist, den Umgang mit Rationalität an sich zu trainieren, sollte immer neu hinterfragt werden.

Klar ist, dass Mathematik nicht ohne mathematische Inhalte vermittelt werden kann. Die Inhalte sollen andererseits nicht so stark in den Vordergrund treten, dass sie zum primären Ausbildungs- und Prüfungsgegenstand werden. Es sollte um das Beherrschen der Rationalität und nicht um die Beherrschung der Bruchrechnung gehen: Wer rational vorgehen kann, findet die Bruchrechenregeln alleine und immer wieder neu, falls er sie vergisst. Wer rationales systematisches Vorgehen weniger trainiert hat, tut sich schwerer und klammert sich an fertige Formeln und Rezepte, die im Kopf schnell man durcheinandergeraten. Wenn dann am Ende aus Differenzen und Summen gekürzt wird, ist also nicht so klar, ob der Schüler oder das Ausbildungssystem der Dumme ist.

Verstehst Du?

Beim Thema Verstehen erinnere ich mich gerne an eine Physikvorlesung in Kaiserslautern, wo Professor Wolfgang Demtröder nebenbei Folgendes erklärte: Verstehen heißt neues Unverstandenes auf altes Unverstandenes zurückzuführen.

Das klingt im ersten Moment lustig, weil es nicht zu dem Gefühl von Sicherheit und Kontrolle passt, das mit dem Gefühl des Verstehens einhergeht: Wenn man einen Sachverhalt versteht, kann man mit ihm kontrolliert umgehen, man kennt die zugehörigen Ursache-Wirkung-Beziehungen, kann sie zielgerichtet einsetzen und erklären.

Schaut man aber etwas genauer hin und hinterfragt die Gefühle, so stellt sich die Situation ganz anders dar: Die empfundene Sicherheit beim Verstehen ist nur relativ zu einem Rahmen an Vorwissen, das bei kritischem Hinterfragen schnell löchrig werden kann, wobei dann auch die gefühlte Sicherheit rasch abnimmt.

Etwas günstiger sieht es beim mathematischen Verstehen aus, Read more…

Das Universum der Metaobjekte

Wir Menschen erleben die Welt als eine Ansammlung von Dingen, die in einem geregelten Zusammenhang stehen. Aufgrund dieser Regeln können unsere Sinnesorgane einzelnen Dingen, oder speziellen Ding-Kombinationen, Eigenschaften zuweisen, was dann eine Repräsentation in unseren Gedanken ermöglicht.

Als abstraktes Modell dieser Sachlage führen wir die Konzepte Objekt und Bedingung ein, wobei ein Objekt $x$ eine Bedingung $B$ erfüllen kann. In diesem Fall nennen wir $B$ eine Eigenschaft von $x$ und schreiben abkürzend $x:B$.

Während Objekte und Bedingungen inhaltlich zunächst klar voneinander abgegrenzt erscheinen, zeigt eine kurze Überlegung, dass die Grenzen nicht scharf sind: Ausgehend von einem Objekt $x$ kann man nämlich die Forderung an beliebige Bedingungen formulieren Eigenschaft von $x$ zu sein. Bedingungen werden dadurch selbst zu Objekten anderer Bedingungen, d.h. sie tragen ihrerseits Eigenschaften. Da sich die gleiche Konstruktion erneut anwenden lässt, haben auch die Bedingungen an Bedingungen Objektcharakter usw.

Als Alltagsbeispiel kann man hier an Stellenbeschreibungen in einer Zeitung denken, Read more…