Was ist der Grund dafür, dass Jahr für Jahr überdurchschnittlich viele Studierende das Mathematikstudium bereits nach kurzer Zeit frustriert wieder aufgeben? Was genau macht den Übergang von der Schul- zur Hochschulmathematik so schwierig? Liegt es an den komplizierten Inhalten, oder doch eher an der Form der Vermittlung?
Die Erfahrung nach vielen Gesprächen mit Schülern und Studierenden, der Begleitung mehrerer Anfängerjahrgänge, der Durchführung spezieller Lehrveranstaltungen zu den Anfangsschwierigkeiten und der routinemäßigen Durchsicht von vielen Übungsblättern, Klausuren und Hausarbeiten führt zu folgender Einschätzung: Der größte Stolperstein ist nicht das inhaltliche Verständnis der mathematischen Konzepte und Zusammenhänge sondern das formale Vorgehen in der Mathematik. Es fehlt nicht das intuitive Verständnis dafür, dass zum Beispiel konvergente Folgen beschränkt sind, sondern die Fähigkeit, die Begründung mathematisch korrekt aufzuschreiben.
Sehr eng verknüpft und vielleicht sogar ursächlich dafür ist die Schwierigkeit, mathematische Begründungen korrekt zu lesen und zu interpretieren, was an der oft gestellten Anfängerfrage Ist mein Beweis so richtig? und an den vielen falschen Antworten zu Übungsaufgaben besonders deutlich wird. Dass die Studierenden die Fehler in ihren Lösungen nicht bereits selbst anstreichen, ist tatsächlich der offensichtlichste Indikator dafür, dass das Überprüfen der Korrektheit von Argumentationen nicht beherrscht wird.
Diese Feststellung ist deshalb dramatisch, weil die Überprüfung der Korrektheit so präzise reglementiert ist, dass sie sogar von Maschinen automatisch durchgeführt werden kann! Es handelt sich hier wahrscheinlich um den einzigen Aspekt des Mathematikmachens, der stur erlernbar ist. Read more…