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Mengen und Elemente

Die meisten mathematischen Theorien werden im Kontext der Mengenlehre formuliert, die man auch Lehre des Zusammenfassens nennen könnte. Grundobjekte dieser Theorie sind Abstraktionen von realen Objekten, die sogenannten Elemente. Entsprechend sind Mengen abstrakte Versionen von Taschen, Tüten, Schränken, Kisten oder Containern, die andere Objekte enthalten. Bei der Abstraktion lösen wir uns allerdings von den Details der Umhüllung, so dass Mengen nur noch die Idee des Enthaltenkönnens verkörpern. Entsprechend wenig kann man deshalb zunächst mit diesen abstrakten Objekten tun: (1) Wir können Mengen durch geregeltes Zusammenfassen von Elementen herstellen und (2) wir können die Aussage formulieren, dass ein Element in einer Menge enthalten ist.
Möchten wir zum Beispiel die Menge \(M\) der natürlichen Zahlen zwischen \(7\) und \(159\) herstellen, dann tun wir dies mit der Angabe einer Regel für das Dazugehören:
Ein Element \(n\) gehört zur Menge \(M\), wenn \(n\) eine natürliche Zahl ist und wenn \((7\leq n)\wedge(n\leq 159)\) gilt.
Ob beispielsweise \(81\) zu \(M\) gehört, überprüfen wir dann durch Regelanwendung: \(81\) ist eine natürliche Zahl und die ersetzte Aussage \((7\leq 81)\wedge(81\leq 159)\) ist wahr - folglich gehört \(81\) zu \(M\). Wir schreiben diese Aussage dabei als Infix-Ausdruck \(81 \in M\), was als \(81\) ist ein Element von \(M\) ausgesprochen wird.
Da die Grundoperation des Mengenherstellens sehr häufig genutzt wird, hat sich eine platzsparende Schreibweise für die Angabe der Dazugehör-Regel etabliert. Steht das Symbol \(\mathbb N\) für die Menge aller natürlichen Zahlen \(1,2,3,\ldots\), dann sieht die Kurzform in unserem Fall so aus:
\(M:=\{n\in \mathbb N\,:\,(7\leq n)\wedge(n\leq 159)\}\)
Der Name \(M\) wird dadurch im aktuellen Kontext als Abkürzung für die Mengenbeschreibung auf der rechten Seite vereinbart, die wiederum alle Komponenten der Dazugehör-Regel kodiert: Es wird ein Regel-Platzhalter vereinbart (hier mit dem Namen \(n\)) zusammen mit einer ersten (groben) Einschränkungsbedingung (hier \(n\in\mathbb N\)). Hinter dem Doppelpunkt steht dann die feinere Aussage, die zusätzlich erfüllt sein muss, damit ein Element zur Menge dazugehört (hier \((7\leq n)\wedge(n\leq 159)\)).
Im Kontext der Mengenlehre steht die Elementaussage zur Verfügung mit dem Infix-Symbol \(\in\). Außerdem können Mengenausdrücke der Form \(\{x\in M\,:\, E_x\}\) gebildet werden (sogenannte Aussonderungsmengen). Hier steht \(x\) für einen beliebigen Platzhalternamen, der im Aussageausdruck \(E_x\) verwendet werden darf, während \(M\) für einen Mengenausdruck steht. Wegen der Klammerung mit \(\{\,\}\) wird der Ausdruck beim Schreiben wie ein geklammerter Ausdruck behandelt.
Wegen der (vielleicht überraschenden) Erfahrungstatsache, dass alle üblicherweise verwendeten Elemente selbst als Aussonderungsmengen dargestellt werden können, sind im Prinzip keine speziellen Ausdrucksformen für das Beschreiben von Elementen erforderlich. Allerdings muss bei der Angabe einer Aussonderungsmenge bereits ein Mengenausdruck vorliegen, sodass mindestens eine Startmenge benötigt wird. Im Weiteren nehmen wir deshalb an, dass mit dem Namen \(\mathcal U\) auf die (naive) Menge aller Elemente Bezug genommen werden kann, das sogenannte Elementuniversum.[1]
Die einfachste Menge, die wir aus \(\mathcal U\) aussondern können, ist die sogenannte leere Menge. Sie wird mit einer Regel konstruiert, die von keinem Element erfüllt werden kann, also zum Beispiel durch \(\{x\in\mathcal U:\neg(x=x)\}\). Als Symbol für diese Menge verwenden wir \(\emptyset\). Die Aussage \(\emptyset\in\mathcal U\), also dass \(\emptyset\) gleichzeitig auch ein Element ist, steht im Kontext der Mengenlehre von vornherein als geltende Aussage zur Verfügung (ein sogenanntes Axiom der Theorie). Sie sorgt auch dafür, dass es überhaupt ein Element im Universum \(\mathcal U\) gibt.
Dass es auch noch andere Elemente gibt, folgt aus weiteren Axiomen. Ist \(a\) zum Beispiel ein Element, dann gilt dies auch für die Menge \(\{x\in\mathcal U:x=a\}\), die wir auch mit der abkürzenden Schreibweise  \(\{a\}\) notieren. 
Da die zugehörige Regel nur von \(a\) erfüllt wird, enthält \(\{a\}\) genau ein Element und ist damit nicht leer. Angewendet auf \(\emptyset\) können wir so das Element \(\{\emptyset\}\) bilden und damit dann \(\{\{\emptyset\}\}\) usw.
Merke dir zu einer abkürzenden Schreibweisen immer die zugehörige Langform, denn diese erzeugt die Bedeutung und sagt dir, wie du mit dem beschriebenen Objekt umgehen kannst.
Dadurch, dass Aussonderungsmengen mit platzhalterabhängigen Aussagen beschrieben werden und \(\in\)-Aussagen möglich sind, vermischen sich Mengenlehre und Aussagenlogik und logische Verknüpfungen erzeugen entsprechende Mengenverknüpfungen. Als Beispiel erwähnen wir den Schnitt, die Vereinigung und die Differenz von zwei Mengen. Im Schnitt liegen dabei alle Elemente, die in beiden Mengen gleichzeitig enthalten sind, in der Vereinigung werden alle Elemente beider Mengen zusammengefasst und die Differenz enthält die Elemente der ersten Menge ohne die der zweiten.
Zu zwei Mengen \(A,B\) werden folgende Infix-Ausdrücke als Abkürzungen vereinbart:
\(A\cap B\) für die Menge \(\{x\in\mathcal U:(x\in A)\wedge(x\in B)\}\),
\(A\cup B\) für die Menge \(\{x\in\mathcal U:(x\in A)\vee(x\in B)\}\) und
\(A\backslash B\) für die Menge \(\{x\in\mathcal U:(x\in A)\wedge(\neg(x\in B))\}\).
Um mit den neuen Schreibregeln vertraut zu werden, geht es in den folgenden Übungen um das Erkennen von Schreibfehlern und die Interpretation von Mengenausdrücken.
qtitle
Definition
Term
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Definition
Term

[1] Unter einer naiven Menge (auch Klasse genannt) verstehen wir eine beliebige Zusammenfassung von Elementen. Solange wir dabei das Bild einer mit Objekten gefüllten Kiste vor Augen haben, ist es kein Problem anzunehmen, dass die Kiste mit den darin befindlichen Dingen selbst eine von vielen Kisten in einem Container ist. Abstrakt gesehen können Mengen also selbst Elemente anderer Mengen sein. Da wir nun aber von der materiellen Hülle der Zusammenfassung abstrahieren, können wir auch alle Objekte im Universum gedanklich zusammenfassen, aber diese Zusammenfassung ist dann schwer als Objekt im Universum vorstellbar. Entsprechend gilt \(\neg(\mathcal U\in  \mathcal U)\), d.h. die Menge \(\mathcal U\) ist selbst kein Element und damit nicht in anderen Mengen zusammenfassbar. Solche Mengen nennen wir auch unfassbar oder echte Klassen. Eine naive Menge ist also entweder fassbar als Element des Universums oder unfassbar, wobei die genauen Regeln dazu (die Axiome der Mengenlehre) für das Beweisen und Argumentieren unerlässlich sind. Für das Lesen und Schreiben von Mengen ist die Unterscheidung allerdings nicht so wichtig.