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Gleichheit

Stelle dir vor, du schüttest eine Packung bunte Gummibärchen auf einen Tisch. Bei oberflächlichem Betrachten hat jedes Bärchen die gleiche Form, und auch für jede der sechs Farben gibt es mehrere Vertreter. Die eindeutige Identität eines Bärchen ergibt sich erst durch seine Position im Raum, denn nur in dieser Eigenschaft unterscheidet es sich deutlich von den anderen.
Die Wahrnehmung von Dingen ist also eng verbunden mit dem Erkennen von Eigenschaftsunterschieden. Würden wir umgekehrt eine Liste von allen Eigenschaften eines Objekts aufschreiben, so können wir kein anderes Objekt finden, dass alle diese Eigenschaften erfüllt, denn anders sein bedeutet ja gerade, in mindestens einer Eigenschaft abzuweichen.
Nach dem gleichen Prinzip lassen sich mathematische Objekte nur dadurch wahrnehmen, dass sie Eigenschaftsunterschiede aufweisen. Dass es in einem Kontext keinen inhaltlichen Unterschied zwischen zwei Ausdrücken \(a\) und \(b\) gibt, bemerkt man daran, dass jede geltende Aussage über \(a\) auch bei Ersetzung von \(a\) durch \(b\) gilt und umgekehrt. Symbolisiert wird diese Situation durch das Gelten der Gleichheitsaussage \(a=b\).
In der Praxis ist das Rezept, alle Aussagen über \(a\) auch für \(b\) zu prüfen, allerdings untauglich [1] . Statt dessen werden explizite Gleichheitsregeln formuliert, die so für die Abgrenzung der Objekte untereinander sorgen und dadurch ihre Eigenschaften entscheidend mitformen. So sind etwa zwei Mengen \(A,B\) gleich, wenn sie genau die gleichen Elemente umfassen, wenn also jedes Element aus \(A\) auch ein Element von \(B\) und jedes Element von \(B\) auch ein Element von \(A\) ist. Genau durch diese Regel entsteht die bereits erwähnte Abstraktion, dass Mengen Elemente zusammenfassen, ohne dabei (im Unterschied zu Kisten, Taschen, Tüten oder Containern) selbst eine unterscheidbare Ausprägung zu besitzen - sobald zwei Mengen die gleichen Dinge enthalten sind sie auch gleich.
Wenn jedes Element einer Menge \(A\) auch ein Element der Menge \(B\) ist, sagen wir, dass \(A\) eine Teilmenge von \(B\) ist und schreiben dies mit dem Infix Symbol \(\subset\). Die Gleichheit von Mengen beruht also auf zwei Teilmengenbeziehungen.
Seien \(A,B\) Mengenausdrücke. Dann schreiben wir \(A\subset B\) als Abkürzung für die Aussage \(\forall x\in A:x\in B\).

[1] Eine Ausnahme bildet der Fall, dass \(a\) und \(b\) identische Ausdrücke sind, denn eine Aussage über \(a\) ändert ihre Form und damit auch ihren Wahrheitswert nicht, wenn wir \(a\) durch den genau gleich gebauten Ausdruck \(b\) ersetzen. Da diese Überlegung prinzipiell für alle Aussagen funktioniert, finden wir \(a=a\) für jeden zulässigen Ausdruck \(a\).